Erasmus in Foggia, Apulien

In diesem Bericht schreibe ich über meine Auslandserfahrung in Süditalien.
Während ich gerade in meinem kleinen Wg- Zimmer in Foggia sitze und schreibe, höre ich meine sizilianische Mitbewohnerin lauthals
mit ihren Eltern telefonieren.
Diese lebendige Sprache und die aufgeweckte italienische Kultur faszinieren mich jeden Tag mehr…
Was habe ich mir hier angetan?
Diese Gedanken kamen mir die Wochen vor der Abreise immer wieder in den Sinn.
Während seitens meiner Heimatuniversität alle benötigten Dokumente unterschrieben waren, bekam ich von meiner Gastuniversität fast keine Informationen.
Weder war mein Learning Agreement unterschrieben, noch wusste ich, welche Lehrveranstaltungen ich besuchen sollte.
In Süditalien ticken die Uhren anders, beruhigte mich meine italienische Freundin, ich solle mir keine Gedanken machen.
Erst jetzt, nach drei Monaten Erfahrung mit dem süditalienischem Leben, verstehe ich was sie meinte.
Hier heißt es, Geduld haben, wenn nötig, sich auf die Beine zu stellen, aber am Ende alles nicht so ernst nehmen. Pazienza, ein Lieblingswort der Italiener:innen.
Hinsichtlich der Organisation für Auslandsstudierende in Italien ist ESN (European Student Network) der Helfer in jeder Not. Nachdem ich mich auf deren Website angemeldet habe, wurde ich einer Whatsappgruppe mit allen Erasmusstudierenden in Foggia hinzugefügt. Durch diese Organisation fand ich auch mein Wg-Zimmer in einem großzügigen Apartment mit Dachterrasse mitten im Zentrum zu
einem für unsere Verhältnisse niedrigem Mietpreis (200/Monat). Außerdem habe ich das Glück mit zwei Italienerinnen zusammenzuwohnen, was für meine sprachlichen Fortschritte ein großer Vorteil ist.
Bei meiner Ankunft wurde ich von ESN Mitgliedern abgeholt und zu meiner neuen Wohnung gebracht. Das Beste ist jedoch, dass ESN uns junge Menschen in organisierten Reisen durch ganz Italien, Partys und anderen Aktivitäten zusammenbringt.
Wann gehts endlich los?
Ich bin endlich in Foggia, bereit zu studieren, bereit in das Unileben hier einzutauchen, aber wieder wird meine Geduld auf die Probe gestellt.
Obwohl der offizielle Start schon war, fanden weder Kurse an der Uni statt, noch habe ich mein Learning Agreement unterschrieben bekommen.
Da sich die Partys überschlugen, das bella vita sich von der süßesten Seite zeigte und die Tage am Meer oder in Cafés endlos waren, passte ich mich den italienischen Uhren an und konnte mich endlich entspannen.
Mein Italienisch verbesserte sich in diesen ersten Wochen sehr schnell. Dadurch, dass Foggia sehr überschaubar ist und ich zwei italienische Mitbewohnerinnen habe, fiel es mir leicht auch mit locals in Kontakt zu kommen.
Durch ESN konnte ich ein Praktikum in einer non-profit Organisation organisieren, bei dem ich zwei Mal die Woche Kinder in Englisch unterrichte und ihnen bei ihren Hausübungen helfe. Menschlich, pädagogisch und sprachlich lerne ich dort am meisten und ich freue mich jede Woche auf die abwechslungsreichen und unterhaltsamen Stunden mit den süditalienischen Kindern.
Es geht los!
Endlich beginnen die Kurse und die Universität kommt ins Rollen. Naja, es ist ja auch erst Ende November.
Man kann sich aussuchen, ob man online oder in Präsenz an den Kursen teilnehmen will.
Der Eintritt in die Universität funktioniert mit dem Vorweisen des Greenpasses, der mittels Scan am Eingang kontrolliert wird. Ohne Greenpass ist es in Italien praktisch unmöglich am öffentlichen Leben teilzunehmen, ab dem 1. September muss auch bei überregionalem Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln der Gesundheitspass vorhanden sein.
Die Kurse werden in Italienisch abgehalten, manche Prüfungen können wir Erasmusstudierende aber in Englisch absolvieren. Das Unileben in Foggia unterscheidet sich stark von der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Es wird weniger eigenständiges Denken, Diskutieren und Erarbeiten gefragt, sondern das Auswendiglernen von Theorien und Ansätzen.
Alle meine Lehrveranstaltungen kann man mit einer klassischen Vorlesung vergleichen.
Das Schöne hier ist der unkomplizierte und freundliche Umgang zwischen Studierenden und Lehrenden.
Pures Süditalien!
Wenn du Foggia googelst, siehst du Bilder am Meer (genauer siehst du die Stadt Vieste am Gargano in der Provinz Foggia). Traumhaft, oder?
Die Stadt Foggia sieht jedoch anders aus. Sie befindet sie sich nicht am Meer, sondern km entfernt im Landesinneren. Ich würde sie als Zuwanderungsstadt beschreiben mit vielen Industriegebieten und fehlendem Geld für Infrastruktur, dies bemerkt man besonders an den holprigen Straßen ohne Markierungen und fehlender Straßenbeleuchtung.
Hier gibt es keinen Tourismus, keine schicken Bars oder langen Einkaufsstraßen.
Hier gibt es aber etwas viel Interessanteres: lautes Leben überall und zu jeder Tageszeit. Verkehr, vor dem man sich fürchten muss und Gemüsemärkte, die dein Herz höher schlagen lassen. Männerrunden, die den ganzen Tag Karten spielen und Jugendliche, die zusammenstehen und rauchen. Musternde Blicke, denn stranieri sind eine Seltenheit und trotzdem Gastfreundlichkeit und offene Arme, die du täglich spüren kannst.
Sicherheit
Das wichtigste Gebot ist: Gehe nachts nicht alleine durch die Straßen. Die Italienerinnen nehmen das gelassen, denn das ist einfach so. Sie gehen immer in Gruppen oder werden nach Hause begleitet. Auch wir in unseren Erasmusgruppen begleiten uns immer vor die Haustüren. In Italien ticken die Uhren anders, auch hier trifft diese Aussage wieder zu.
Die Erasmuserwartung
Erasmus ist highlife. Erasmus ist alles gleichzeitig machen, hier reisen, da Party, dort studieren, kein Geld, viel Alkohol, viele Menschen, keine Langeweile.
Muss nicht sein. Erasmus ist vor allem eine vielseitige Erfahrung, geprägt von Heimweh aber auch unfassbarer Dankbarkeit für das , was man hier erleben darf. Geprägt von nerviger Bürokratie und Überforderung aber auch von den interessantesten Gesprächen mit Menschen aus der ganzen Welt und Knüpfen von inspirierenden Freundschaften.
Geprägt von einmaligen Reisen an die schönsten Orte mit viel Zeit zum Genießen und Staunen. Geprägt von dem Eintauchen in einer andere Kultur, von der du lernen und wachsen darfst, sowie von Abenteuern, die du nie vergessen wirst.
Und trotz einer Küche zum Niederknien das Vermissen von echtem Schwarzbrot.
Warum jede und jeder Erasmus in Anspruch nehmen soll:
Wie soll man das in Worte fassen…
Diese einmalige, unglaubliche Erfahrung sollte man sich nicht entgehen lassen.
Weitere Informationen finden Sie auf dem persönlichen Blog der Autorin. Um zu ihrem Blog zu gelangen, klicken Sie auf diesen Link: https://tha-ida.jimdosite.com/.
Autorin: Ida Adlgasser