Reykjadalur – Erasmus story by Lena Haas

Reykjadalur
by Lena Haas
Ich hatte gerade erfahren, dass ich spontan Besuch bekommen werde, als mir meine Mitbewohnerin von diesem Ort erzählte. Sofort war mir klar: Da muss ich mit meinem Besuch auch hin! Obwohl sie ganz unspektakulär davon berichtete: „Es ist nur eine kleine Wanderung. Zuerst geht’s durch den Ort und dann kurz den Berg hinauf. Insgesamt nicht länger als 1,5 Stunden zu gehen. Und oben siehst du dann auch schon den warmen Fluss.“
Wer weiß wo ich meinen Erasmus Aufenthalt absolviert habe, wird sich schon über das Wort „warm“ mitten im Februar wundern. Ich war in Island und es war alles andere als warm dort zu dieser Zeit. Aber der Fluss, laut meiner Mitbewohnerin, eben doch. Sogar so warm, dass sie darin baden konnte. Ich war gespannt!
Als ich meinem Besuch den Vorschlag machte dorthin zu fahren war er sofort begeistert, also mieteten wir uns ein Auto und los ging’s! Sobald man aus Reykjavik hinausfährt sieht man nichts anderes mehr als Hügel und Weiten und das alles in weiß – es war ja schließlich Februar, also noch mitten im isländischen Winter.
Reykjadalur, wie das gebiet genannt wird, auf das wir zusteuerten, liegt ungefähr eine dreiviertel Stunde von Reykjavik entfernt auf dem Weg nach Süden. Als wir dort ankamen und einen Blick auf die Temperaturanzeige des Autos warfen, war uns klar, dass es ein ungemütlicher Aufstieg werden könnte: -13° C und der Wind pfiff uns um die Ohren. Aber davon ließen wir uns nicht abhalten und starteten dick vermummt den Weg nach oben.
Schon nach der ersten Biegung sahen wir dampfendes Wasser den Berg hinunterrinnen und spätestes da packte uns die Neugierde. Immer wieder gingen wir an sprudelnden, dampfenden Schlammlöchern vorbei, welche mit der Aufschrift „Attention: Hot!“ gekennzeichnet waren. Das Thermometer neben diesen Pots zeigte immer zwischen 80 und 100° C an, also wirklich ganz schön heiß! Der Dampf eignete sich übrigens wunderbar um die steif gefrorenen Finger aufzuwärmen und einmal eine Pause einzulegen und hinunter in das weite Tal und das Meer hinter uns zu blicken.
Je weiter wir nach oben kamen, desto öfter passierten wir solche Schlammlöcher und auch die rauchenden, blubbernden Wasserlöcher wurde mehr und mehr, Schon langsam begannen wir zu glauben, dass der Fluss, zu dessen Ursprung wir gerade wanderten, wirklich warm werden könnte.
Nach der letzen steilen Passage und ein paar weiteren Bogen sahen wir endlich unser Ziel. Und wir trauten unsere Augen kaum! Mitten am Berg, im isländischen Winter, saßen Leuten in Bikini und Badehose in einem Fluss und… badeten! Es gab sogar extra aufgebaute Holznischen hinter denen man sich umziehen konnte. Voller Begeisterung suchten wir uns eine nette Stelle aus, überlegten nicht lange und schlüpften in unsere mitgebrachten Badesache. Das Wasser war so angenehm warm und klar! Man saß direkt am Flussbett welches immer wieder kleine Ausbuchtunen bildete, was es fast wie von der Natur gebaute Whirlpools wirken ließ. Im warmen Wasser weichend verbrachten und tratschend wir sicher zwei Stunden in mitten der isländischen Berglandschaft.
Eine Frage jedoch beschäftigte uns ziemlich lange und ließ uns sicherlich noch eine Weile länger im Fluss verharren: „Wie kommen wir da wieder hinaus und in unsere trockenen Wandersachen ohne zu erfrieren?“. Letztendlich entwickelten wir eine Strategie, die ganz gut funktionierte. Immer nur ein Körperteil nach dem anderen aus dem Wasser strecken, gründlich abtrocknen und sofort anziehen. Je länger die Füße im warmen Wasser blieben, desto besser! Zwischendurch musste nur die Finger immer wieder im Fluss aufgewärmt werden, da der Wind sie ganz schnell zu Eiszapfen gefrieren ließ.
Sobald wir angezogen waren marschierten wir eiligst los um unseren, inzwischen wieder erkalteten, Körper aufzuwärmen. Auch beim Abstieg waren die heißen Schlamm- und Wasserlöcher mit ihrem wärmenden Dampf wieder eine gute Möglichkeit sich die Finger zu wärmen und durchzuschnaufen,
Wieder beim Auto angekommen konnten wir schon nicht mehr glauben, welches atemberaubende Ereignis wir gerade erlebt haben. Mitten im Winter in einem Fluss zu baden – das werde ich sicher immer in Erinnerung behalten!