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Erfahrungsbericht Erasmus+: Straßburg

Foto: Mira Kuhn

Vive l´Erasmus – Mein Auslandssemester an der Université de Strasbourg 

Ein anderes Land als Frankreich wäre für mich im Rahmen meines Erasmus-Aufenthalts nicht in Frage gekommen. Seit meiner frühesten Kindheit verbringe ich nahezu jede Ferien dort und habe das Hexagon während dieser Zeit kennen und lieben gelernt. Dass das alltägliche Leben im Land im Gegensatz zum dort Urlaubmachen jedoch noch einmal etwas anderes ist, sollte ich während meines Aufenthalts noch des Öfteren feststellen… 

Unistra – Die Universität von Straßburg 

Ich verbrachte das Wintersemester 2022/2023 an der Uni Straßburg. Die Semesterzeiten unterscheiden sich dort deutlich von denen in Graz, sodass meine Lehrveranstaltungen in Straßburg von Anfang September bis Mitte Januar gingen. Das Sommersemester beginnt dann direkt im Anschluss Mitte Januar und dauert bis Ende Mai, weshalb bei einem Erasmus-Aufenthalt im Sommersemester wesentlich besser hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Lehrveranstaltungen in Graz geplant werden muss.  

Die Uni in Straßburg ist nach Paris die zweitgrößte des Landes und dementsprechend ziemlich groß. Ein Großteil der Lehrveranstaltungen anderer Fakultäten findet am Campus Esplanade statt, der etwas östlich der Altstadt liegt. Ich besuchte dort jedoch nur einen Französisch-Sprachkurs, den ich mir mit 3 ECTS anrechnen lassen konnte. Alle meine anderen Vorlesungen und Seminare fanden am eigenen, deutlich kleineren Campus Meinau statt, der ca. 2km südlich der Innenstadt liegt. An diesem Campus finden ausschließlich Lehrveranstaltungen der INSPÉ (Bildungswissenschaftliche Fakultät) statt. 

Das Studium 

Der Studienaufbau in Frankreich unterscheidet sich deutlich von dem in Graz. Grundsätzlich machen die französischen Studierenden zunächst ihren dreijährigen Bachelorabschluss (License) in einem beliebigen Fach, bevor sie anschließend zwei Jahre im Master MEEF 1er degré ihre Zulassung für den abschließenden Concours erwerben. Nach Bestehen des Concours sind sie anschließend dazu befähigt an einer Ecole Maternelle (Kinder von drei bis sechs) oder an einer Ecole Elémentaire (Kinder von sechs bis elf) zu unterrichten. Da ich den Erasmus-Aufenthalt in meinem eigentlich 7.Semester durchgeführt habe, habe ich mich in Straßburg für die Lehrveranstaltungen des ersten Master-Jahres (ebenfalls dem 7.Semester entsprechend) angemeldet. Dies würde ich auch allen anderen Studierenden empfehlen, da eine Kombination von Lehrveranstaltungen aus verschiedenen Semestern aufgrund des unregelmäßigen Stundenplans eher schwierig ist.  

Vorteil des Masters in Straßburg ist, dass die Lehrveranstaltungen zumindest etwas praxisbezogener sind, als es im Bachelorstudium Bildungswissenschaften der Fall ist. Somit hatte ich didaktikorientierte Kurse zu den verschiedenen Schulfächern, allgemeinere Vorlesungen zu Themen wie Psychologie und Inklusion, aber auch stark frankreichbezogene Veranstaltungen wie die Werte der Republik oder ähnliches. Im Vergleich zu Graz sind die Lehrveranstaltungen jedoch trotzdem ausgesprochen theorielastig und wenig interaktiv. Anstelle von Präsentationen oder Gruppenarbeiten wird in nahezu jedem Fach am Ende (oder auch schon während des Semesters) eine Klausur geschrieben. 

Die Lehrveranstaltungen finden dabei ausnahmslos auf Französisch statt. Zu Beginn waren die langen Tage an der Uni (oftmals durchgängig von 8 bis 18 Uhr) deshalb ziemlich anstrengend für mich. Mit der Zeit gewöhnte ich mich aber gut an die Sprache und am Ende bereitete mir das Französische, auch in den Klausuren, keinerlei Probleme mehr. Da der Masterstudiengang in Straßburg in sieben feste Teilgruppen à 30 Studierenden aufgeteilt ist, konnte ich auch zu einigen französischen Mitstudierenden einen engeren Kontakt aufbauen. Von Unterstützung während der Seminare über geteilte Mitschriften bis hin zu gemeinsamen Kneipenabenden konnte ich mich dabei immer auf deren Offenheit und Hilfsbereitschaft verlassen. 

Weitere Angebote 

Außerhalb der Lehrveranstaltungen bietet die Uni Straßburg viele tolle Angebote für Studierende, bei denen sich zudem schnell und einfach Kontakte knüpfen lassen. Besonders gefallen hat mir das Sportangebot des SUAPS, dass kostenfrei und weitgehend ohne Anmeldung genutzt werden kann. Neben regelmäßigen Sportkursen und freien Trainingsangeboten finden am Wochenende auch oft Ausfahrten inklusive Transport und Materialverleih (Mountainbiken, (Eis-)klettern, Wandern, Skifahren, …) statt, die ich absolut empfehlen kann. Ein weiterer Pluspunkt der Uni ist in meinen Augen auch deren umfangreiches Kantinenangebot. Leider gibt es direkt am Campus Meinau keine eigene Mensa, jedoch können die verschiedenen Mensen in der Stadt von dort aus dennoch bequem mit dem Fahrrad erreicht werden. In jeder der Kantinen gibt es unterschiedliche Menüs für jeweils 3,30 Euro zur Auswahl und einige haben zusätzlich auch am Abend geöffnet. Nicht selten habe ich mich dort mit einigen Erasmus-Studierenden zum Essen und gemeinsamen Austausch verabredet.  

Foto: Mira Kuhn

Schulpraktikum 

Nicht in jedem Semester der Lehramtsausbildung ist an der Uni Straßburg ein Schulpraktikum integriert. Dies war ein weiterer Grund, weshalb ich mich für das erste Mastersemester entschied, da in diesem Semester auch alle französischen Studierenden regulär ein dreiwöchiges Praktikum machen. Je nach Semestergruppe fand das Praktikum dabei entweder in einer Ecole Maternelle oder einer Ecole Elémentaire statt. Vor Beginn des Praktikums durften wir Wünsche hinsichtlich des Schulstandorts machen, letzten Endes wurde der Praktikumsplatz jedoch zugeteilt. 

Ich absolvierte mein Praktikum, gemeinsam mit einem Studenten aus Luxemburg an der bilingualen Ecole Maternelle Branly in der Nähe des Europaparlaments in Straßburg. In den bilingualen Klassen ist der Unterricht dort so aufgebaut, dass die Kinder tageweise abwechselnd auf Deutsch und auf Französisch unterrichtet werden. Wir arbeiteten immer mit der deutschsprachigen Lehrerin zusammen, sodass wir zwei verschiedenen Klassen jeweils nur an den auf Deutsch gehaltenen Tagen unterrichteten. Eine besondere Erfahrung war für mich die Arbeit mit der Altersgruppe. Begleitung beim Toilettengang, Mittagsschlaf für die Kleinsten und tägliche Tränen beim Verlassen der Eltern sind nur einige der nennenswerten Unterschiede zur mir bekannten Volksschule. Im Gegensatz zu Österreich, wo die Kinder vor Schuleintritt in den Kindergarten gehen, gehört die Ecole Maternelle in Frankreich schon zur Schule. Dementsprechend gibt es feste und verpflichtende Unterrichtszeiten, während dieser die Kinder Schreibübungen machen, Turnunterricht haben und mathematische Fertigkeiten trainieren. Immer wieder war ich dabei von der dort herrschenden Disziplin und dem straffen Lehrplan überrascht und habe mir viele Gedanken über das französische, auch im Vergleich mit dem österreichischen System gemacht. Während mich das viele Sitzen und der eingeschränkte Raum für Neugier und Kreativität eher abschreckten, war ich von dem frühzeitigen Erlernen gewisser Basisfähigkeiten positiv angetan. Besonders Kinder aus benachteiligten Elternhäusern und/oder Kinder mit einer anderen Erstsprache profitieren sicherlich mehr vom französischen System. 

Nach einer Woche der reinen Beobachtung, durften wir bereits ab der zweiten Praktikumswoche eigene Unterrichtseinheiten planen und durchführen und zum Ende des Stage, wie das Praktikum in Frankreich genannt wird, sogar einen ganzen Vormittag inklusive aller Rituale halten. Obwohl ich das Praktikum bei einer für mich später weniger relevanten Altersgruppe durchgeführt habe, konnte ich doch viele gewinnbringende Erfahrungen machen. So hat der Vergleich der beiden Systeme mein Nachdenken über die Umsetzung elementarere Bildung angeregt und dabei auch meine Beschäftigung mit der bedeutenden Schnittstelle Kindergarten-Volksschule vertieft. 

Unterkunft 

Die günstigste Möglichkeit der Unterbringung in Straßburg sind die über die ganze Stadt verteilten Studierendenwohnheime von Crous. Dies ist eine Organisation für Studierende, vergleichbar mit einem deutschen Studierendenwerk und bietet neben preiswerten Unterkünften auch zahlreiche kostenlose Veranstaltungen (Kinoabende, Kochen, Ausflüge in die Region, …), ärztliche Dienstleistungen, sowie das Essen in den Mensen an.  

Besonders für Erasmus-Studierende sind die Wohnheime eine gute Wahl, da sie eine umständlichere Wohnungssuche über diverse Portale ersparen und grundsätzlich vollständig möbliert sind. Dazu kann direkt bei der Anmeldung an der Uni auch das Interesse an einem Wohnheimsplatz bekundet werden. In meinem Fall verlief die Bewerbung absolut problemlos und mir wurde schon im Juli ein festes Zimmer für 260 Euro im Studierendenwohnheim Alfred Weiss zugeteilt. Das Zimmer dort war mit seinen 9 m2 schon ziemlich klein; ich hatte jedoch ein eigenes Bad und konnte in einer Gemeinschaftsküche meine eigenen Mahlzeiten zubereiten. Wer mehr Komfort sucht, kann versuchen einen Platz in den Wohnheimen Gallia, Les Cattleyas oder du Bruckhof zu bekommen.  

Was die Lage betrifft, war ich mit meinem Wohnheim relativ zufrieden. Im östlichen Teil der Stadt gelegen, brauchte ich mit dem Fahrrad jeweils ungefähr zehn Minuten bis in die Innenstadt, sowie auch zum Campus Meinau. Die zentraleren Wohnheime ermöglichen zwar ein Leben nahe der Altstadt, der Campus der INSPÉ lässt sich von dort aus jedoch auch nicht wesentlich schneller erreichen. 

Eine interessante Möglichkeit, die in Straßburg doch oft auch teuren Mieten etwas zu reduzieren, ist zudem die Beantragung des französischen Wohngelds. Dazu muss bei der CAF ein Antrag gestellt werden. Hartnäckigkeit und ein sicheres Beherrschen der französischen Sprachezahlen sich hier in jedem Fall aus. Dennoch gleicht meiner persönlichen Erfahrung nach keine Antragstellung der anderen und was in einem Fall problemlos funktioniert hat, kann bei einer anderen Person zu teils unverständlichen Problemen führen. Hier hilft nur ein dickes Fell. 

Die Stadt – Europäische Metropole und Weihnachtshauptstadt 

Straßburg ist mit seinen knapp 300 000 EinwohnerInnen was dessen Größe betrifft mit Graz vergleichbar. Demnach kommt man mit dem Fahrrad problemlos überall hin, was angesichts der französischen Streikweltmeister ein riesiger Vorteil ist. Für Erasmus-Studierende, die ihr Fahrrad nur schwierig nach Straßburg transportieren können, bietet sich der Ausleihservice Vélhop an. Unkompliziert und für kleines Geld lässt sich dort für das ganze Semester ein gutes Rad ausleihen. 

Der eigenen Erfahrung nach kann ich zudem berichten, dass ein Semester nicht einmal annähernd ausreicht alles zu sehen, was man sich am Anfang der Mobilität vorgenommen hat. Hier ist weniger oft mehr und im Zweifelsfall lohnt es sich, sich einfach durch die wunderschöne Altstadt treiben zu lassen und deren einzigartiges Flair auf sich wirken zu lassen. Die Innenstadt in Straßburg wird durch mehrere Flüsse und Kanäle begrenzt und wird dementsprechend auch Grande-Île genannt. Auf dieser großen Insel ist man am besten zu Fuß unterwegs.  

Zur Weihnachtszeit verwandelt sich die Stadt schließlich in ein riesiges Winterwunderland. Nicht umsonst wird sie auch die Weihnachtshauptstadt genannt, was ihr jährlich Millionen von WeihnachtsmarktbesucherInnen beschert. Wer es lieber ruhiger mag und ein Weihnachten abseits des gigantischen Kommerzes sucht, dem sei der kleine, etwas alternative Weihnachtsmarkt Marché OFF ans Herz gelegt. 

Eine weitere Bedeutung kommt Straßburg durch den Sitz des Europäischen Parlaments zu. Das Gesicht der Stadt ist dabei wesentlich vom europäischen Gedanken gezeichnet, was sich beispielsweise auch an der riesigen Anzahl internationaler Studierender zeigt. Um Straßburg etwas näherzukommen, lässt sich besonders die Carte Culture nutzen, die für alle Erasmus-Studierenden kostenlos im Studierendenausweis integriert ist. Kino, Theater, Museum und vieles mehr kann damit vergünstigt oder gänzlich kostenfrei besucht werden. 

Umgebung 

Bei einem Erasmus-Aufenthalt in Straßburg sollte zudem auf keinen Fall die Erkundung der Umgebung zu kurz kommen. Das Elsass, dass durch seine wechselnde Zugehörigkeit zu Frankreich und Deutschland ein besonderes historisches, sprachliches und kulturelles Erbe aufweist, lässt sich von dessen Hauptstadt Straßburg aus perfekt erkunden. Viele Regionalbusse fahren vom Busbahnhof in die umliegenden Dörfer und weiter entfernte Orte können vom Bahnhof aus mit den Zügen der SNCF erreicht werden. Für junge Menschen unter 26 gibt es dort auch lohnenswerte Vergünstigungen, wie etwa die Carte Fluo, die für einen Euro eine Ermäßigung von 50% auf alle Regionalzugfahrten bietet. 

Neben malerischen Dörfern und Städten mit ihren für das Elsass so typischen kleinen Fachwerkhäusern, sei besonders auch die Natur hervorzuheben. Ein Ausflug zum Wandern, Klettern oder mit Glück auch zum Skifahren in die nahegelegenen Vogesen, bietet eine hervorragende Entspannung vom mitunter doch recht stressigen Unialltag. Kletter- und WanderpartnerInnen lassen sich dabei meist problemlos über diverse Facebookgruppen oder durch Bekanntschaften bei Unisport-Kursen finden. 

Mein Résumé 

Mein Erasmus-Semester war für mich eine spannende Erfahrung, die für immer in meinem Gedächtnis bleiben wird. Ich durfte viele nette Menschen aus Frankreich und vielen weiteren europäischen Ländern kennenlernen, die meinen Aufenthalt wesentlich bereichert haben. 

Neben glücklichen, interessanten und abenteuerreichen Erfahrungen gab es jedoch immer wieder auch weniger gute Tage, die unerwartete Herausforderungen und Anstrengungen bereithielten. Die anfangs überwältigende Erschöpfung nach einem Unitag auf Französisch, bürokratiereiche Kurswechsel, komplizierte Antragsstellung des Wohngelds, Heimweh und vieles mehr ließen mich doch immer wieder auch an meiner Entscheidung zweifeln. 

Im Rückblick überwiegend jedoch trotz aller Rückschläge, die Höhepunkte und positiven Erfahrungen und Momente meines Erasmus-Aufenthalts, den ich nicht missen möchte. Nicht selten habe ich während eines schwierigen Moments in der Uni an Kinder in Österreich gedacht, die der deutschen Sprache kaum mächtig sind und einen oft schwierigen familiären Hintergrund mit sich bringen. Sich in deren Lage tatsächlich hineinversetzen zu können, ist man erst fähig, wenn man selbst Ähnliches erlebt hat, dessen bin ich mir sicher. Somit wird auch meine zukünftige Arbeit als Lehrerin immer von meiner Erasmus-Zeit in Straßburg geprägt sein! 

Text: Mira Kuhn

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